Schülerakademie 2021
„Ernten, was wir säen? Von der Nachhaltigkeitspolitik zum sozialen Frieden“
Jedes Jahr veranstalten der Arbeitskreis „1648 – Dialoge zum Frieden“, das Franz Hitze Haus, das Wissenschaftsbüro und das Friedensbüro von Münster Marketing gemeinsam eine Schülerakademie für Schüler*innen aus Münster. In diesem Jahr drehte sich alles um das Thema „Nachhaltigkeit“.
Rund 40 Schüler*innen aus 11 Gymnasien und Gesamtschulen setzten sich bei der Schülerakademie unter dem Motto „Ernten, was wir säen?“ mit den Zusammenhängen von Nachhaltigkeitspolitik und sozialem Frieden auseinander. In welchem Verhältnis stehen Mensch und Natur? Sind wir Teil der Natur? Oder ist sie eine Ressource, die wir nach Belieben nutzen können? Wie verändert der Mensch den Planeten mit seinem Handeln? Und wer ist von den Auswirkungen dieser Veränderungen wie stark betroffen?
Das Naturverhältnis neu denken
Diese und andere Fragen diskutierte Professor Henning Laux von der TU Chemnitz bei der Schülerakademie mit den Teilnehmenden. Professor Laux eröffnete die Veranstaltung mit seinem Vortrag „Das Naturverhältnis neu denken – Perspektiven des sozialen Wandels im Anthropozän“. Aus soziologischer Perspektive erläuterte Professor Laux, wie der Mensch in der Moderne „Natürliches“ und „Künstliches“ bis zur Unkenntlichkeit miteinander vermengt und zeigte diese Form der „Hybridisierung“ am Beispiel der Plastiktüte und einer plastikfressenden Raupe (wer mehr wissen will, klickt hier). Professor Laux thematisierte in seinem Vortrag unter anderem auch die globale Ungleichheit der Klimakrise. Die Folgen und Risiken der Klimakrise träfen den globalen Süden verstärkt und manchmal seien sie auch unintendierte Nebenfolge. So zum Beispiel wenn es um den Kupferbedarf für die Windenergie gehe, denn die Gewinnung des Kupfers in den Kupferminen habe negative ökologische und soziale Auswirkungen für die Abbaugebiete in Südamerika zur Folge. Die Schüler*innen diskutierten kritisch den Glauben an die Lösung der Klimakrise durch technische Innovationen, der laut eines Schülers schon beinahe „religiöse“ Züge annehmen würde. Ohne schmerzhafte Veränderungen im Hier und Jetzt, so sahen es viele der Teilnehmenden, sei der Klimakrise nicht mehr beizukommen. Dennoch dürften die Menschen nicht überfordert werden und auch eine gesamtgesellschaftliche Balance zwischen unternehmerischen Interessen, ökologischen Interessen sowie dem Anliegen der sozialen Gerechtigkeit sahen viele Schüler*innen als notwendig an.
In den anschließenden Workshops näherten sich die Schüler*innen sich dem Thema Nachhaltigkeit dann anhand von drei verschiedenen Schwerpunktthemen.
Laben und leben lassen
Die Frage der „richtigen“ Ernährung ist aus den Nachhaltigkeitsdebatten nicht wegzudenken. Im Workshop „Laben und leben lassen“ diskutierten die Jugendlichen gemeinsam mit Tobias Engelmann vom Institut für Nachhaltige Ernährung an der Fachhochschule Münster die Frage „Wie geht nachhaltige Ernährung?“. Im Workshop gab es die eine oder andere überraschende Erkenntnis: Die Klimabilanz von Bananen kann mit der von heimischem Obst und Gemüse durchaus mithalten, denn die Bananen werden meist per Schiff transportiert. Regionalität ist für die Klimabilanz also nicht immer entscheidend, Saisonalität aber durchaus vorteilhaft. Grundsätzlich wird die Bedeutung des Transports oft überschätzt – Erzeugung und Lagerung sind entscheidender. So oder so: ein Drittel der produzierten Lebensmittel schafft es überhaupt nicht bis zum Verzehr. Sie bleiben auf den Äckern liegen, werden vom Handel aussortiert oder landen in unserem Hausmüll.
Das Tier und wir
Die Gründer und Redakteure des Online-Magazins ETHOlogisch.de Dr. Niklas Kästner und Dr. Tobias Zimmermann beleuchteten das Thema Nachhaltigkeit in ihrem Workshop „Das Tier und wir“ aus der Verhaltensperspektive. Die Schüler*innen lernten hier, was wir mittlerweile alles über Tiere wissen und was das für unseren Umgang mit ihnen bedeutet. Wenn wir heute zum Beispiel davon ausgehen, dass Tiere komplex empfinden können, dass sie Angst oder Furcht kennen, gehen wir dann anders mit Ihnen um? Ist es noch in Ordnung den Begriff „Nutztiere“ zu verwenden? Oder wäre es nicht angemessener von „landwirtschaftlich genutzten Tieren“ zu sprechen? Was können wir im Umgang mit Tieren besser machen und für welche Tiere sind wir überhaupt verantwortlich? Und wo und wie stehen Tier-, Arten-, Natur- und Klimaschutz auch in einem Konflikt zueinander? Wer jetzt neugierig geworden ist, der sollte auf jeden Fall hier vorbeischauen.
Think global, act local
Fragen der Nachhaltigkeit spielen sich auf der großen politischen Bühne ab, sie betreffen aber auch jede*n einzelne*n von uns in unserem Alltag. Leandra Praetzel, Landschaftsökologin an der Westfälischen-Wilhelms-Universität und engagiert bei Scientists for Future, gab in ihrem Workshop „Think global, act local“ Anregungen dazu, was wir selbst konkret für mehr Nachhaltigkeit tun können. Die Jugendlichen setzten sich mit der Frage auseinander, in welchen Bereichen sie sich engagieren oder engagieren wollen. Welche Aktionsformen bieten sich hier an? Flashmob, Demonstrationen, Infostände, Streiks oder Petitionen? Was können wir mit den jeweiligen Formaten erreichen? Und welche globalen und lokalen Beispiele für (gelungene) Aktionen im Bereich der Nachhaltigkeit gibt es?
Jede*r kann mehr tun, als gedacht
Im Anschluss an die Workshops kamen die Schüler*innen dann noch für eine Abschlussdiskussion zusammen. Die Möglichkeit zum Austausch über das Thema Nachhaltigkeit, das allen Teilnehmenden spürbar am Herzen lag, wurden von den Schüler*innen als sehr gewinnbringend gewertet – ebenso die große Expertise der Referent*innen. Eine Schülerin erklärte, dass im Moment viele Hoffnungen in die Jugend gesetzt würden – bloß sei es für sie so, dass in ihrem eigenen (Schul-)Umfeld überhaupt kein Wille erkennbar sei, sich mit dem Thema Klima und Nachhaltigkeit zu beschäftigen, da es „uncool“ sei, sich zu engagieren. Daher sei es gut gewesen, sich mal mit anderen auszutauschen, die sich ebenfalls interessieren und engagieren. Eine Schülerin hätte sich noch mehr Input zum Thema soziale Gerechtigkeit gewünscht. Die Komplexität des Themas Nachhaltigkeit ist während der Schülerakademie an vielen Stellen deutlich geworden und die Frage, nach den richtigen Maßnahmen, ist nicht so leicht zu beantworten – „das schlaucht“, bemerkte eine Schülerin und sprach damit vielen Anwesenden aus der Seele. Dennoch, am Ende stand das Fazit „jede*r einzelne kann mehr tun, als gedacht!“.
Wir bedanken uns bei allen Schüler*innen für Ihre Teilnahme, für die tollen Wortbeiträge, die kritischen Fragen, lebendigen Diskussionen und für ihr Engagement!
Die Schülerakademie 2021 wurde vom Illustrator Jonas Rose von der illustren Runde in Form eines Graphic Recordings festgehalten. Und vielleicht können die Illustrationen auch im Nachgang der Schülerakademie eine kleine Inspiration sein, wenn es um die Frage danach geht, was wir säen müssen, um in Zukunft nachhaltig ernten zu können.
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