Friedensorte in Münster – Der Platz des Westfälischen Friedens
Liebe Leser*innen des Friedensblogs,
Jede*s von uns braucht ab und zu einen friedlichen Ort, an dem man innehalten und zur Ruhe kommen kann. Aber was macht einen solchen Ort zu einem Friedensort? In der Reihe „1648 & wir“ hat unsere Türmerin Martje uns verraten, dass die Türmerstube in der Lambertikirche ihr ganz eigener Friedensort ist, an dem alltägliche Probleme verblassen und große und kleine Streitigkeiten nichtig werden. Ein Friedensort ist also etwas sehr Persönliches und kann für jede*n anders aussehen.
In einer Stadt wie Münster gibt es, neben diesen persönlichen Friedensorten, aber natürlich auch noch die Friedensorte, die an einen wichtigen historischen Friedensschluss – den Westfälischen Frieden – erinnern. Diese Orte haben in Münster aber gleichzeitig oft sehr viel mit unserem (friedlichen) Zusammenleben im hier und heute zu tun. Eines der besten Beispiele für einen solchen Friedensort ist der Rathausinnenhof, besser bekannt als „Platz des Westfälischen Friedens“. Anlässlich der Feierlichkeiten zum 350-jährigen Jubiläum des Westfälischen Friedens war der Rathausinnenhof 1998 zum Platz des Westfälischen Friedens umbenannt worden. Daran erinnert heute noch eine Bronzetafel an der Rückseite des Stadtweinhauses.
Schauen wir uns doch mal ein bisschen genauer um: Der Name „Platz des Westfälischen Friedens“ drängt sich schon allein deshalb auf, weil der Rathausinnenhof unmittelbar an den Friedenssaal im Historischen Rathaus grenzt. Würde man im Friedenssaal das Fenster öffnen (was man natürlich nicht darf) und herausschauen, dann würde man direkt auf den Rathausinnenhof sehen.
Als erstes würde einem dabei wohl die Skulptur auffallen, die mitten auf dem Platz steht. Münster ist ja aufgrund der alle 10 Jahre stattfindenden Skulptur Projekte reich an wunderbaren Kunstwerken im öffentlichen Raum. Aber diese Skulptur im Rathausinnenhof ist für viele Münsteraner*innen noch einmal etwas ganz Besonderes. Der Ausgangspunkt für „Toleranz durch Dialog“, so heißt die Skulptur, bildeten die Skulptur Projekte 1987. Der Künstler Eduardo Chillida zeigte hier eine Skulptur auf dem Servatiikirchplatz. Während seines Aufenthalts in Münster nahm Chillida an einem Empfang im Friedenssaal teil, der für die Skulptur-Teilnehmer*innen ausgerichtet wurde. Der Raum beeindruckte Chillida sehr und auch wenn der Friedenssaal, die damalige Ratskammer, bei den Verhandlungen zum Westfälischen Friedens nicht als Verhandlungsort genutzt wurde, stellte er sich die Gesandten vor, wie sie sich auf den Ratsbänken des Saales gegenübersaßen und gemeinsam über den Frieden verhandelten.
Die gegenüberliegenden Bänke und diese Dialogsituation wollte Chillida ins Freie verlegen und hierfür den Rathausinnenhof nutzen. Um hier eine würdige Atmosphäre zu schaffen, wurde der Hof extra für Eduardo Chillidas Skulptur vier Stufen tiefer gelegt. (Bei dieser Gelegenheit entdeckte man auf der Rückseite des Rathauses übrigens einige verschüttete Kellerfenster, die freigelegt wurden und durch die der Ratskeller unter dem Rathaus seitdem etwas Tageslicht erhält.) Auch der Ginkgo-Baum wurde damals auf Wunsch von Eduardo Chillida in den Rathausinnenhof gepflanzt.
Chillidas über 18 Tonnen schwere Bänke aus Cortenstahl weisen auf die enorme Bedeutung hin, die der Friedensvertrag von 1648 als erster Verhandlungsfrieden der europäischen Geschichte für die beteiligten und betroffenen Länder hatte und hat. Am 18. Mai 1993, dem 350. Jahrestag der Eröffnung des Friedenskongresses 1643, wurde die Skulptur „Toleranz durch Dialog“ feierlich eingeweiht. In seiner Rede erklärte Chillida, dass die Bänke ein Ort sein sollten, um miteinander zu reden. Ob das auf Stahlbänken immer so bequem ist, ist nicht entscheidend und Chillida erklärte es damals so: „Sie sind nicht dafür bestimmt, Körper aufzunehmen, sondern Ideen.“
Trotz des harten Untergrunds laden die Chillida-Bänke auch heute noch Münsteraner*innen und Besucher*innen der Stadt gleichermaßen zum Verweilen, Nachdenken und Reden ein. Weitere spannende Informationen zu Eduardo Chillida und der Skulptur „Toleranz durch Dialog“ findet Ihr übrigens auf der Seite des Vermessungs- und Katasteramtes der Stadt Münster. Vorbeischauen lohnt sich.
Auch wenn, die Chillida-Bänke die auffälligste Skulptur auf dem Platz des Westfälischen Friedens sind, so sind sie dennoch nicht das einzige Kunstwerk, dass man hier finden kann. Am Treppenturm des Rathauses könnt Ihr die „Friedenstaube mit Hand“ des Künstlers Rudolf Breilmann entdecken. Diese Plastik gibt es bereits seit 1966. Die Gedenktafel mit der Aufschrift „Den Opfern der Kriege und der Gewalt“ wurde zehn Jahre später, am 1. Juli 1976 angebracht. Wenn Ihr mehr darüber erfahren wollt, dann schaut doch mal auf der Seite des Stadtarchivs vorbei.
Die Werke des Gievenbecker Künstlers Adolph W. Knüppel sind in der ganzen Stadt zu finden und jede*r von uns ist sicher schon einmal über das ein oder andere Kunstwerk „gestolpert“ (man denke nur an die „Hanse-Steine“ in der Salzstraße oder „Wasser in Münster“ auf dem Prinzipalmarkt). Zum 350-jährigen Jubiläum des Westfälischen Friedens schuf Knüppel auch für den neu benannten Platz des Westfälischen Friedens ein einzigartiges Kunstwerk: Eine über 5 Meter große solarbetriebene Sanduhr, in deren Innerem sich Sand von den Rathäusern aus Münster und Osnabrück befindet. Heute steht diese Friedensuhr übrigens auf dem Steinfurter Campus der Fachhochschule Münster. Wenn Ihr wissen wollt, was die Sanduhr von Adolph W. Knüppel mit der russischen Raumstation „MIR“ (zu Deutsch: Frieden) zu tun hat, dann empfehle ich Euch diesen spannenden Artikel der FH Münster.
Ein weiteres besonderes Fundstück aus dem Jahr 1998 wird aufgrund der aktuellen Bauarbeiten auf dem Platz des Westfälischen Friedens zurzeit andernorts sicher verwahrt: Die Platte mit der Aufschrift „350 Jaar Vrede van Munster. Boodschap voor de Toekomst. 15. Mai 1998“ schützt eine Schriftrolle mit einer Friedensbotschaft von deutschen und niederländischen Jugendlichen, die der damalige Kronprinz Willem-Alexander am 15. Mai 1998 in Münster der Oberbürgermeisterin Marion Tüns überreichte – auf den Tag genau 350 Jahre nachdem der Spanisch-Niederländische Frieden im Friedenssaal feierlich beschworen worden war. Der „Vrede van Münster“ ist die Geburtsstunde der heutigen Niederlande.
Im Rathausinnenhof weisen jedoch nicht nur viele Details auf den Westfälischen Frieden hin – der Platz ist auch ein zentraler Ort für die aktuelle Friedenskultur in Münster. So gestalten die Münsteraner Schulen hier seit mehreren Jahren am 27. Januar, dem Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus, eine Gedenkveranstaltung und gedenken gemeinsam der Opfer der nationalsozialistischen Verfolgung.
Seit fast 30 Jahren lädt der Integrationsrat jedes Jahr am letzten Samstag im September zum Interkulturellen Fest ein und auf dem Platz des Westfälischen Friedens gibt es dann Tanz-, Musik- und Theateraufführungen, Diskussionsveranstaltungen, Infostände, eine große Vielfalt von Speisen und Getränken aus aller Welt. Einer der Höhepunkte des Festes ist jedes Jahr das gemeinsame Friedensmahl, auch Teil des Friedenskulturmonats ist.
Auf dem Platz des Westfälischen Friedens, der nach dem Frieden benannt wurde, der vor über 370 Jahren einen dreißig Jahre andauernden Krieg beendete, rufen uns viele Dinge das komplexe Spannungsverhältnis von Frieden und Verständigung und Krieg und Gewalt ins Bewusstsein. Ein Friedensort, der uns zur Ruhe kommen lässt und gleichzeitig wachsam macht.
Welcher Ort in Münster ist für Euch ein Friedensort?
Hinterlasse einen Kommentar
An der Diskussion beteiligen?Hinterlasse uns deinen Kommentar!