Ein Stück Niederlande in Münster – Studieren im HdN
Liebe Leser*innen des Friedensblogs,
Hier bei Münster Marketing haben wir das Glück, regelmäßig tolle junge Menschen kennenzulernen, die bei uns ein Praktikum absolvieren. Einer davon ist Sebastian. Als Sebastian und ich uns kennenlernten – natürlich nur virtuell – war mir sofort klar: Er muss auf den Friedensblog! Denn Sebastian studiert „Niederlande-Deutschland-Studien“ und ist damit ein häufiger Gast im „Haus der Niederlande“. Und dieses Haus ist einer der spannendsten Orte, die in Münster im Zusammenhang mit dem Westfälischen Frieden stehen.
Das Haus der Niederlande gibt es seit 1995. Im letzten Jahr wurde hier also 25-jähriges Jubiläum gefeiert. Das Gebäude, in dem sich das Haus der Niederlande befindet, das sogenannte Krameramtshaus, ist natürlich schon viel älter und blickt auf eine spannende und bewegte Nutzungsgeschichte zurück. Hier eine kleine Zusammenfassung: Gebaut wurde das Haus im 16. Jahrhundert als – wie der Name schon sagt – Gildehaus des Krameramtes. Hier hielten die Mitglieder ihre Versammlungen ab. Die Gilde der Kaufleute war in Münster sehr bedeutend, was auch die zentrale Lage des Krameramtshauses wiedergespiegelt. 1810 wurden die Gilden aufgelöst und die Kaufleute verloren das Haus am Alten Steinweg. Einige Jahre später wurde das Haus an die frisch gegründete Musikalische Gesellschaft, dem späteren Musikverein, vermietet, bis die Mitglieder des ehemaligen Krameramtes das Gebäude 1823 zurückerhielten und es verkauften.
1843 ging das Krameramtshaus dann für 6.000 Taler an die Stadt Münster, die hier die städtische Pfandleihanstalt einrichtete. Von nun an wurden im Krameramtshaus also die Dinge aufbewahrt, die die Münsteraner*innen als Sicherheit für ihre Kredite hinterlegten. Nach der Auflösung der Pfandleihanstalt wurde das Gebäude 1873 an den gerade gegründeten Westfälischen Provinzialverein für Wissenschaft und Kunst vermietet. Nach der Fertigstellung des neuen Landesmuseums kündigte der Provinzialverein 1907 den Mietvertrag für das Haus am Alten Steinweg. Im Anschluss daran wurde im Krameramtshaus eine Bücherei untergebracht und hierfür eine Miete von 1 Mark jährlich erhoben, was selbstverständlich nur ein symbolischer Wert war, denn die Jahresmiete des Provinzialvereins hatte zuvor 1.200 Mark betragen. Der so unterstütze Büchereibetrieb wurde bei den Münsteraner*innen schnell sehr beliebt, es wurden immer mehr Bücher angeschafft und schon bald gab es die ersten Platzprobleme. Abgesehen von einer kurzen inflationsbedingten Zwischenvermietung an die Reichsbank war das Krameramtshaus bis 1993, dem Jahr des Umzuges in das neue Gebäude am Alten Steinweg 11, das Zuhause der Stadtbücherei Münster. Wenn Ihr mehr über die Geschichte des Krameramtshauses erfahren wollt, dann schaut auf jeden Fall hier vorbei. Dieser spannende Artikel war auch meine Quelle für diese kurze Zusammenfassung.
Nun aber zurück ins hier und heute: Mit dem Einzug des Hauses der Niederlande in das Krameramtshaus am 15. Mai (!) 1995 knüpfte man an eines der bedeutendsten historischen Ereignisse an, das sich in diesem über die Jahrzehnte so unterschiedlich und vielseitig genutzten Gebäude zugetragen hat: Die Beherbergung der niederländischen Gesandten für die Westfälischen Friedensverhandlungen, die zwischen 1643 und 1648 in Münster stattfanden und den Spanisch-Niederländischen Frieden. Sebastian erklärt mir, was es genau mit dem Haus der Niederlande auf sich hat: „Das Haus der Niederlande im Krameramtshaus ist Teil der Westfälischen-Wilhelms-Universität Münster. Es besteht aus drei verschiedenen Lehr- und Forschungseinrichtungen: dem Institut für Niederländische Philologie, dem Zentrum für Niederlande-Studien und der Bibliothek im Haus der Niederlande.“
Bei der Bibliothek im Haus der Niederlande handelt es sich um die größte Spezialbibliothek zum niederländischen Kulturraum im deutschen Sprachgebiet! Egal ob Kriminalromane, Graphic Novels, hochspezielle Studien über niederländische Dialektvarianten, Lokalgeschichte oder historische Ego-Dokumenten, hier werdet Ihr auf jeden Fall fündig. Das Institut für Niederländische Philologie (INP) gibt es schon seit über 100 Jahren, denn schon 1920 wurde an der Westfälischen Wilhelms-Universität erstmals ein Lektorat für Niederländisch eingerichtet. Und auch das INP kann einen Rekord für sich verbuchen: Die 400 Studierenden in den verschiedenen Studiengängen machen es zur größten Niederlandistik-Einrichtung außerhalb der Niederlande und Flanderns. Die Gründung des Zentrums für Niederlande-Studien (ZNS) erfolgte 1989. Das ZNS lehrt und forscht zu den Niederlanden und Deutschland und den Beziehungen dieser beiden Länder. Hier spielen sowohl Unterschiede als auch Gemeinsamkeiten zwischen den zwei Nachbarstaaten eine Rolle. Das ZNS ist eng mit verschiedenen Partnern in den Niederlanden und Deutschland verbunden, zum Beispiel auch mit der Universität Nimwegen.
Von Sebastian erfahre ich, dass sein Bachelor-Studiengang „Niederlande-Deutschland-Studien“ in Deutschland einmalig ist. Aber warum genau hat er sich gerade für dieses Studium entschieden? „Meine Wahl fiel auf genau diesen Studiengang, da ich hier so viele meiner Interessen vertiefen kann“ erklärt er mir. Die Vielfalt hat es Sebastian also besonders angetan: „Die Studieninhalte umfassen sowohl Geschichts-, Kultur oder Sprachwissenschaften sowie auch Inhalte aus dem Bereich der Wirtschaft und der Kommunikation.“ Durch diese Bandbreite hat Sebastian letztlich auch den Weg gefunden, den er auch nach seinem bald beendeten Bachelorstudium weitergehen möchte. „Ich habe mich auf das Gebiet der Kommunikationswissenschaften konzentriert und werde diesen Bereich in Zukunft weiter vertiefen.“
Die Kommunikation hat natürlich auch während den Verhandlungen zum Westfälischen Frieden eine zentrale Rolle gespielt. Der Unabhängigkeitskampf der Niederlande und damit der Krieg mit Spanien währte zum Zeitpunkt des Kongresses in Münster nun fast 80 Jahre und bereits seit 1628 hatte es Bemühungen gegeben, ihn zu beenden. Aber erst bei den Friedensverhandlungen in Münster konnte schließlich eine Einigung gefunden werden. Dabei wurden die Verhandlungen zwischen Spanien und den Generalstaaten direkt und ohne Vermittler geführt. Die Gespräche fanden dabei oft im Kaminzimmer des Krameramtshauses statt und hier wurde der Friedensvertrag am 30. Januar 1648 auch unterzeichnet. Die feierliche Beschwörung fand dann am 15. Mai (!) 1648 in der Ratskammer des Rathauses, dem heutigen Friedenssaal, statt. Mit dem „Vrede van Münster“ wurde die Souveränität der Niederlande international anerkannt.
Das Krameramtshaus in Münster spielt in der Geschichte der Niederlande also eine bedeutende Rolle. Wie fühlt es sich an, 370 Jahre später an so einem Ort „Niederlande-Deutschland-Studien“ zu studieren? „Im Haus der Niederlande, einem so geschichtsträchtigen Haus, zu studieren, ist wirklich etwas Besonderes“ sagt Sebastian. „Es ist beeindruckend, dass das Haus damals die niederländische Delegation beim Friedensschluss von 1648 beherbergte und somit einen europäischen Frieden ermöglichte.“ Die europäische Dimension des Krameramtshauses beschränkt sich aber bei weitem nicht nur auf die Vergangenheit, wie ja auch schon die Vernetzung des Zentrums für Niederlande-Studien gezeigt hat. Sebastian stellt fest: „Auch heute noch wird hier an gleicher Stelle an positiven europäischen Beziehungen gearbeitet.“ Seine Dozent*innen unterrichten zum Teil sowohl in Deutschland als auch in den Niederlanden und während seines Studiums bekam Sebastian sogar die Möglichkeit, bei einer Diskussionsrunde den deutschen Botschafter in den Niederlanden Dirk Brengelmann und den niederländischen Botschafter Wepke Kinkma kennenzulernen.
Die enge Bindung und der lebendige Austausch zwischen den beiden Nachbarländern zeigen sich aber nicht nur in Lehre und Forschung, sondern auch im alltäglichen Zusammenleben der Studierenden. Sebastian lernte in seinem Jahrgang zwei Kommilitonen aus den Niederlanden kennen und Erasmus-Studierende sind häufige Besucher*innen in seinen Seminaren. Der Masterstudiengang „Niederlande-Deutschland-Studien“ wird gemeinsam mit der Radboud Universität Nijmegen umgesetzt und die Studierende verbringen während ihres Studiums jeweils ein Jahr in Münster und eines in Nijmegen.
Das Krameramtshaus ist das einzige Gesandtschaftsquartier aus der Zeit der Friedensverhandlungen in Münster, das bis heute erhalten ist. Mit dem Haus der Niederlande beherbergt es eine einmalige Institution, die seit 25 Jahren für gelebte Nachbarschaft und grenzüberschreitenden Dialog steht.
Mehr Infos zum Haus der Niederlande und seinen Einrichtungen findet Ihr hier. Und wenn Ihr noch weitere sympathische Studierende aus dem Haus der Niederlande kenenlernen und mehr über ihre Erfahrungen lernen wollt, dann kann ich Euch diese Seite empfehlen.
Vielen Dank, lieber Sebastian, dass Du uns über das Haus der Niederlande und Dein Studium berichtet hast!
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